Ich brauche das SOFORT

Unsere Welt funktioniert im Moment ein bisschen nach dem Schlaraffenland-Prinzip:

Ich will was haben, und wenn ich was haben will, muss es natürlich auch sofort sein. Ich will weder darauf warten noch dahin sparen. Na gut, vielleicht einen kleinen Moment. Drei Tage, im Höchstfall. Und dann muss es, es MUSS einfach dann da sein. Wenn ich was mache, ist es dasselbe: ich muss sofort fertig sein. Und sehr gut sein natürlich. Na gut, gut genug sein. Also ein bisschen gut sein reicht ja. Wir sollen ja auch nicht nach Perfektion streben, richtig?

Wenn ich mich irgendwie unzufrieden in meinem Leben fühle, dann liegt das natürlich an den anderen. Am Job wahrscheinlich. Der muss dann weg. Und die Kinder, boah, die nerven. Die gehen dann in die Ganztagesschule. Und die Partnerin, der Partner, der ist auch schlimm. Die/Der muss auch weg. Sofort. Alles, sofort. Jetzt. Und dann die krasse Argumentation: wenn es mir nicht gut geht, geht es ja auch den anderen um mich herum nicht gut.

Kommt dir das so ungefähr bekannt vor?

Ich weiß, wir wollen alle den unbequemen Wahrheiten nicht so richtig ins Gesicht sehen. Aber schauen wir uns doch mal um:

Es gab noch nie so viele schlechte und unmotivierte Mitarbeiter wie im Jahr 2024. Es gab noch nie so viele Menschen, die zwar arbeiten gehen, weil sie Geld brauchen, aber denen ihre Arbeit völlig egal ist und die Firma, für die sie arbeiten, auch. Vermutlich gab es auch noch nie so viele Firmen, denen ihre Kunden egal sind (genannt: Servicewüste), denen ihre Mitarbeiter egal sind und die von Wertschätzung noch nicht soviel gehört haben. Es gab noch nie so viele adipöse Kinder und Jugendliche wie 2024. Es gab noch nie so viele Krankheiten, die ihren Grund im Übergewicht und im Stress finden wie 2024. Es gab noch nie soviel Zuwachs für Billigprodukte (das Essen eingeschlossen). Junkfood, Junkmedien, Junkkleidung, Junkspielsachen, Junkschulsachen. Wohin das Auge schaut entdeckt es Dinge, die darauf ausgerichtet sind, Bedürfnisse sofort, jetzt, auf der Stelle, zu befriedigen und das darf natürlich nicht viel Geld kosten, weil Geld ist ja rar (daher: Junk). Dass unsere Gesundheit auf Dauer darunter leidet wissen wir, dass dadurch unser Gehirn zwar größer, aber gleichzeitig schwächer und leerer wird wissen wir, dass unser „Bock auf etwas“ dadurch sinkt wissen wir.

Und das alles, obwohl es uns ja eigentlich gut gehen müsste, oder? weil wir ja tun, was wir glauben, das uns gut tut. Dafür tun wir ja Dinge, die uns eigentlich wehtun: wir verlassen Dinge, stoßen andere Menschen vor den Kopf und essen so schlecht, dass wir krank oder übergewichtig werden, was uns beides auch wehtut. Oder wir gehen über die Bedürfnisse unseres Körpers ständig hinaus, so dass uns das auch wieder krank macht.

Dieses ganze Junk-Zeug um uns herum setzt unsere Willenskraft herab, wir gehen automatisch in eine Vermeidungshaltung und eins wollen wir auf gar keinen Fall: warten.

Neben dem, dass wir uns mal anstrengen für etwas, nach Perfektion streben (ich meine nicht ein Perfektionist sein!) und uns wirklich verausgaben, hingeben und uns mit etwas so richtig richtig Mühe machen – das ist so selten geworden, oder?

Wenn man sich umschaut sieht man gestresste und unzufriedene Menschen. Je größer die Stadt, desto mehr unzufriedene Gesichter sieht man, man hört den Stress schon weit über die Stadtgrenzen hinaus und die Menschen haben psychische und körperliche Probleme wie Sandkörnchen am Cuxhavener Strand. Dass die Ursache dafür möglicherweise bei uns selbst liegt, bei unserer Ernährung, unserem Verhalten, darauf kommen wir vielleicht gar nicht – oder manchmal erst sehr spät.

Wir leben immer von Innen nach Außen. Nicht anders herum. Und wir können unsere Willenskraft trainieren, das ist auch ein Muskel. Unsere Gedanken sind unfassbar mächtig, wir können fast alles erreichen – mit Willenskraft, Ausdauer und Geduld. Den drei Attributen, die im Jahr 2024 so selten geworden sind wie Diamanten und genau den diamantösen Seltenheitswert bekommen haben.

Disziplin wird in die Sportlerkategorie verschoben: die brauchen das. Dass wir alle Disziplin brauchen und leben können, das existiert im Gedankengut kaum noch. Wir fangen was an, aber wir hören wieder auf weil: rate mal: ja genau, weil uns die Disziplin fehlt, die Ausdauerkraft, etwas länger als nur ein paar Wochen durchzuhalten. Dann kommt das nächste, dann wieder das nächste und nach Jahren dieses Vorgehens haben wir gelernt, dass wir uns auf uns selber nicht verlassen können, also probieren wir es irgendwann auch gar nicht mehr und unsere Willenskraft ist dann komplett eingeschlafen. Unser Selbstwert legt sich schlafen, unser Selbstgefühl ist völlig verbuddelt unter all dem Junkzeug und gerade nicht griffbereit, denn wir haben ja gelernt: auf mich selbst ist kein Verlass. Das zeigt sich natürlich nicht nur in meinem eigenen Leben, sondern auch um mich herum. Wie ich in meinem Mikrokosmos lebe, lebe ich auch im Makrokosmos. Auf mich ist eben kein Verlass: meine Arbeitsqualität, die Art wie ich mit anderen Menschen umgehe, mit anderen Dingen: all das spiegelt meine innere Einstellung wieder. Ich weiß nicht, wer ich selbst in Wahrheit bin, ich kenne mich selbst nicht so wirklich (was will ich WIRKLICH in meinem Leben? was sind meine Ziele? wo will ich hin abseits von dem oberflächlichen: ich will mich wohlfühlen und glücklich sein und dafür möglichst nichts tun, vielleicht ne Pille einwerfen) und daher gebe ich mir auch nicht wirklich Mühe andere Menschen wirklich kennenzulernen. So bleiben Bekanntschaften in der Oberflächlichkeit hängen und wenn es mal dazu kommt, dass es etwas tiefer geht sind wir vielleicht entsetzt, weil wir das niemals vermutet hätten.

Dabei sehnen so viele von uns sich nach mehr Tiefe, nach Mehr, einfach nach Mehr. Da muss doch noch Mehr sein in meinem Leben. Dieses Sehnen hat der Persönlichkeitsentwicklungsszene einen riesigen Boom verschafft und tut es noch. Doch am Ende landen wir da, wo alles beginnt:

Im Innen.

Vielleicht fragst du dich heute:

Was kann ich heute für mein Innen tun, damit ich mich in einem winzig kleinen Bereich meines Lebens dem Sehnen eine kleine Erfüllung schenke? Ich verspreche dir: es gibt etwas. Es gibt immer etwas.

Hab´s fein! Deine Susa